Radwanderung
Mai 1990
von
Blankenese
nach
Detmold
Nach unruhiger Nacht wache ich noch vor dem Wecken um 7:00 Uhr auf. Obwohl keine Halsschmerzen zu verspüren, fühle ich mich doch nach wie vor sehr erkältet. Die Müdigkeit ist einer angespannten Vorfreude gewichen; ich stehe sofort auf. Nachdem gestern bereits 2x Baden angesagt war, verzichte ich heute morgen darauf. Gemütlich mache ich mich an die Morgentoilette und das anschließende Frühstück. Wir haben viel Zeit. Die letzten Sachen sind schnell verstaut und die Reifen ruckzuck aufgepumpt. Um 8:30 Uhr melde ich mich von Oma und Opa per Telefon ab. Robert ist inzwischen wachgeworden; auch Annika meldet sich jetzt. Ab 8:40 Uhr stehen wir unten vor der Haustür und warten auf den Niendorfer. Eine viertel Stunde später, um 8:55 Uhr erscheint Andy dann. Das Wetter ist etwas besser als im April '88. Stark bewölkt, aber im Osten blinzelt die Sonne manchmal durch die Wolken. Kurz bevor es losgehen soll bemerke ich, daß mein Tacho nicht reagiert. Schnell düse ich nach oben und tausche die Batterie aus. Aber trotzdem zeigt sich keine Reaktion - also nehme ich kurz entschlossen Petras mit. Es ist jetzt schon 9:10 Uhr. Matthias kommt direkt zur Fähre.
Nach kurzem Abschied geht es los; über den steilen Berg der Sülldorfer Landstraße hinauf und sofort wieder hinab nach Blankenese. Auf der Landeanlage treffen wir auf Tina und Matthias. Wenige Minuten später geht es auch schon los. Der Himmel ist grau, der Wind weht recht kalt! Meine Beine vom morgendlichen anstrengenden Treten bereits unangenehm malträtiert! Die Fähre bringt uns wieder in 20 Minuten bis zum Cranzer Anleger. Mit an Bord sind eine ganze Menge Ausflügler (auch andere Radwanderer). Auf schon bekannter Route geht es über die Deiche nach Neuenfelde. Mehrmals denke ich die Stelle der '88er Falschabbiegung entdeckt zu haben, aber jedesmal erweist sich der Gedanke als falsch. Erst am Ortsausgang von Rübcke findet sich dann die damalige Irrung. Hier geht es links ab - hier waren wir '88 in wohl schneller Fahrt geradeaus weitergebraust. Die Sonne kommt jetzt immer öfter hervor. Leider fahren wir jetzt in östlicher Richtung voll gegen den Wind. Als es endlich nach rechts (Süden) weitergeht schalten wir zum ersten Mal in die Geländegänge. Mahlsand und später furchtbares Kopfsteinpflaster. Bald ist Fischbek erreicht und die Cuxhavener Straße überquert. Nach wenigen 100m machen wir in schönem Heidegelände unsere erste Rast von 10:55 bis 11:15 Uhr. Matthias zieht jetzt auch seine kurze Hose an. Der '88er Umweg kann gar nicht so schlimm gewesen sein. Wahrscheinlich werden wir auch nicht viel eher als 12:15 Uhr an der Karlsteinschänke sein?!
Nach zwanzig Minuten, um 11:35 Uhr erfolgt die nächste Rast am Ende der Rollbahn des Segelflugplatzes. Wir sind vom Schweiß bereits völlig durchnäßt! Mehrfache steilste Auf- und Abstiege; teils nur schiebenderweise zu bewältigen. Die Sonne ist jetzt endgültig durchgebrochen, die Wolkendecke reist immer weiter auf, dennoch ist es diesig. Bereits nach 5 Minuten fahren wir weiter.
Fast 1½ Stunden später, um 13:00 Uhr machen wir Mittagsrast nachdem wir noch den kurzen aber steilem Anstieg hinter der Karlsteinschänke hinter uns gebracht haben. Wir drei sind ganz schön geschafft. Der '88er Umweg war in Wahrheit wohl eine ziemliche Abkürzung! Entlang des Truppenübungsplatzes führte der Weg hinter dem Flugplatz endlos in fiesen Steigungen auf und ab. In einer kleinen Waldsiedlung (Wochenendhäuser) verlieren wir das Kreuz! In der Folge wird ein riesiger Bogen in östlicher Richtung gefahren. Endlich erreichen wir die uns schon von vielen Autoausflügen bekannte Straße an der "Waldschänke". Wo ist denn nun die "Karlsteinschänke"? Wir entscheiden uns für Westen. In rauschender, hetziger Fahrt geht es nun in dieser Richtung. Ich bekomme schon Angst, daß wir falsch fahren. Doch plötzlich taucht die Schänke vor uns auf. Schnell in den Wald hinein. Nachdem die schon erwähnte Steigung überwunden ist, ist die wohlverdiente Mittagsrast mit Skorpa und Getränk fällig.
Viel Zeit lassen nehmen wir uns nicht, bereits um 13:30 Uhr geht es weiter in Richtung Autobahn. Nach 25 Minuten stehen wir auf der Brücke; unter uns rauschen die Autos mit lautem Getöse über den Beton. Zum Verweilen ist's hier zu laut. Weiter geht's. Andy übernimmt die Führung, Matthias und ich folgen in schneller Fahrt. Prompt wird durch die rauschende Fahrt eine Abzweigung verpaßt. Das ist ja wohl heute zum Knochenkotzen! Entnervt erreichen wir die B3. Entlang der Straße fahren wir in Richtung Süden. Vor der Kreuzung B3/B75 habe ich bereits zum 2ten Mal einen schmerzhaften Krampf im Oberschenkel und in den Waden. Na, das kann ja heiter werden. Die Sonne verläßt uns jetzt schon wieder. Wie um uns aufzuheitern folgt nach der Kreuzung die von den unzähligen Autofahrten bekannte lange Abfahrt nach Sprötze (die Wiederaufnahme des Weges nach Buchholz lohnt nicht!). Im Dorf angekommen wenden wir uns sofort der Straße nach Holm-Seppensen zu; der Plan den Brunsberg von Westen zu erklimmen und dort wieder auf den Weg zu stoßen wird ohne viele Worte gemeinsam aufgegeben. Wenn uns nicht alles täuscht muß der Wanderweg die Straße kreuzen - so wird es auch gehen.
Gegen 15:15 Uhr haben wir die Stelle erreicht; nach über einer Stunde stehen die Räder wieder auf dem Europawanderweg. Etwas abseits der Straße wird Rast gemacht; nach fast 1¾ Stunden Fahrt auch unbedingt nötig! Obwohl der Himmel jetzt fast wieder völlig bedeckt, ist es doch ziemlich warm. Nach einer halben Stunde Rast erfolgt der Aufbruch nach Handeloh.
Um 16:20 Uhr halten wir drei vor der Körnerschen Rülpskneipe. Der Himmel nun endgültig grau in grau. Meine Wadenkrämpfe sind nicht wieder aufgetreten - ein Glück. In der Schenke erfolgt wie gewohnt Wasserfassen, Händewaschen, Eisessen und natürlich Trinken. Eine volle halbe Stunde lümmeln wir uns hier herum, dann Abfahrt nach Wehlen. In rasantem Tempo geht's nun an der Seeve entlang mitten hinein in die Nordheide. Um 17:15 Uhr Rast in Wehlen. Von nun führt die Route über typische, sandige und quälende Heidewege. Recht oft müssen die Fahrräder geschoben werden.
Trotz der tagsüber größtenteils absurden Wegwahl stehen wir, wie schon 1988, um 18:10 Uhr querab des damaligen Nachtlagers. Nicht zuletzt, weil in der gedanklichen Vorbereitung ein weiter entferntes Nachtlager angenommen wurde, soll es jetzt weitergehen. Wie schon '88 wird Undeloh links liegengelassen und direkt der Wilseder-Berg angesteuert. Schon 10 Minuten später stehen wir am Fuß des "Berges". Die Sonne steht jetzt wieder sehr aufmunternd am Himmel und läßt einen angenehmen Tagesausklang erwarten. Ein erfrischender Wind streicht um die malträtierten Beine. Nach einer Kurzrast folgt der kurze aber schweißtreibende Gipfelsturm. Schiebend ist dann nach weiteren 10 Minuten der Gipfel erreicht. In herrlicher Abendsonne nun die obligatorische Foto- und Zigarettenrast (natürlich rauchen nur Andy und Matthi). Hier oben ist der Wind doch recht unangenehm. Bald rauschen wir in schneller Fahrt den Berg hinunter. Wilsede ist zu dieser späten Abendstunde schon wieder menschenleer. Auf ebener und fester Strecke rollen unsere Räder nun zum Totengrund hinüber. Etwas langsamer als '88 folgen wir dem Weg hinab um dann, etwa in der Mitte nach rechts abzubiegen. So vermeiden wir den damaligen doch recht großen Umweg. Bereits um 19:20 Uhr ist der Ausgangspunkt der '86-Fußtour erreicht. Auf dem damaligen Picknickplatz (auf einem Foto bei Oma & Opa verewigt) soll unser heutiges Nachtlager sein.
Zelt- und Lageraufbau sind von uns schnell und routiniert um 20:00 Uhr erledigt. Die Alu-Essen lassen sich sehr schnell und ohne Topfeinmanschen erwärmen. Alle Gerichte schmecken sehr gut. Nach einer halben Stunde sind wir gesättigt und räumen zusammen. Die Mückenplage ist heute Abend wieder entsetzlich, bald hilft nur noch die Flucht in unsere Zelte.
Diese Nacht war eine der schlimmsten - und das will schon was bedeuten! Zuerst war es nur heiß und stickig im Zelt, daß kennt man ja. Dann beginne ich allerdings mit einem ewigen Gehüstel, welches mich bis 2:30 Uhr vom Schlafen abhält. Auch Dauergaben von Pull-Moll helfen nicht. Es ist zum wahnsinnigwerden. Auch Andy und Matthi sind von diesem ständig wiederkehrenden Geräusch gestört und finden keine rechte Ruhe. Zu allem Überfluß dröhnen auch noch Autogeräusche die ganze Nacht von der nahegelegenen Autobahn zu uns hinüber. Schließlich finde ich dann doch noch zu einem kurzen Schlaf.
Noch vor 6:00 Uhr wache ich frierend und völlig zerschlagen auf. Die wohlschmeckenden Chilibohnen von gestern abend haben zu einem unüberwindlichen Furz- und Protzdrang geführt (Menschen mit empfindlichem Magen und Darm sollten solche Gerichte also auf Touren lieber meiden). Meine Füße sind eiskalt. Bis kurz vor 7:00 Uhr quäle ich mich noch ab, dann geht es nicht mehr und ich schäle mich aus dem Zelt um dem Drang nachzugeben. Etwas erleichtert krieche ich wieder in das Zelt zurück um noch bis 7:45 Uhr weiterzuschlafen. Völlig zerschlagen geht's dann endgültig hoch. Andy und Matthi sind auch schon am rumoren und kommen Minuten später ebenfalls aus dem Zelt hervor. Das übliche morgendliche Lagerleben folgt bis 8:45 Uhr. Der Wetterbericht verspricht für heut und morgen gutes bis sehr gutes Wetter. Der Himmel ist zwar noch leicht bewölkt, die Sonne steht aber schon voll am Himmel. In Erwartung eines warmen Tages ziehe ich wieder die kurze Hose an. Los geht's!
In schönstem Sonnenschein radeln wir durch Behringen und dann unter der Autobahn hindurch nach Bispingen. Im dortigen Supermarkt (Ankunft etwa 9:25 Uhr) wird unsere Verpflegung aufgefrischt. Zu unserem Erstaunen finden sich alle Jokisch-Pfannen im Sortiment! Ich esse einen erfrischenden Schokopudding und trinke einen kleinen (?) Schluck Milch. Immer noch quält mich mein Blähbauch, immer wieder muß ich Dampf ablassen - nie wieder Bohnen auf einer Tour! Auch mein Kopf ist so dumpf; ich fühle mich total schlapp. Kurz vor 10:00 Uhr geht's dann weiter.
An der Jugendherberge vorbei führt der Wanderweg bis zum Abenteuerspielplatz. Heute findet sich sofort der richtige Weg, er führt mitten über den Spielplatz! In unmittelbarer Nähe der ersten '86er Übernachtung erfolgt von 10:15 bis 10:45 Uhr allgemeine Protzrast. Ich habe Durchmarsch von allererster Güte; hoffentlich wird mein Po nun nicht wund! Wir liegen alle drei recht ermattet im Schatten. Endlich quälen wir uns weiter. Über Panzertracks, eingezwängt zwischen Truppenübungsplatz und Autobahn. Zum Glück ist dieses Stück bald geschafft. In flotter Fahrt rauschen die Fahrräder mit uns über den breiten, festen Forstweg nach Stübeckshorn. Wenige Meter hinter dem dortigen Sportplatz erfolgt eine Kurzrast von 11:40 bis 11:55 Uhr. Ob wir es wohl bis 13:00 Uhr bis Soltau schaffen?
Erneut wird die Autobahn gequert, diesmal in westlicher Richtung. Meine Blähungen haben jetzt nachgelassen; dafür werden die Kopfschmerzen immer schlimmer. Jede Wegunebenheit (an denen es hier nun wirklich nicht mangelt) dröhnt bis in den letzten Winkel meines Kopfes. Um 12:50 Uhr ist die JH Soltau erreicht. Ich sitze benebelt auf der dortigen Bank. Auch meine rechte Schulter ist verspannt und schmerzt.
Was muß ich mich heute bloß quälen! Die Erkältung war wohl doch noch nicht auskuriert, nun muß ich büßen! Matthias hat seinen Rucksack (angeblich praktischer und sportlicher als Fahrradtaschen) übrigens schon vor Stunden auf seinen Fahrradgepäckträger geschnallt. Nur Andy hält noch tapfer, mit Daunenweste als Polster zwischen Rücken und Rucksack, durch und trägt den Martersack auf dem Rücken.
Weiter in den Ortskern vorgestoßen, sitzen wir ab 13:10 Uhr in Erwartung eines zünftigen Mittagessens vor dem "Bier & Kartoffelhaus" und warten auf die Karte. Nachdem endlich die Bestellung aufgenommen wurde und Andy und Matthi ihr Weizenbier (?) bekommen haben, wird unsere Geduld auf eine harte Probe gestellt. Das Essen kommt nicht! In praller Sonne sitzen und dösen wir bis 14:00 Uhr; nun ist Schluß! Schlapp und genervt stehen wir auf und bestellen im Imbiß schräg gegenüber Salat, Pommes und Schinkenwürste. Nach 3 Minuten wird bereits gespeist, es geht also auch schneller! Die Sonne prallt erbarmungslos auf uns hinunter. Ich fühle mich todunglücklich; in meinem Zustand gehöre ich ins Bett und nicht auf die Straße!
Nur der Gedanke, daß auch dieser Tag mal ein Ende haben wird und Zelt und Schlafsack auf mich warten treibt mich noch voran. In verzweifelter Hast geht es nun in flotter Fahrt bis zum Öhlshof. Hier versagt meine Stimme. Vom ewigen Gehüstel ist der Hals rauh und wund geworden. Mehr als ein heiseres Gekrächze bringen meine Stimmbänder nicht mehr hervor. Nach einer ¼ Stunde Rast, langausgestreckt im Schatten alter Bäume, geht es wieder etwas besser. Auf geht's. Zum drittenmal wird nun die Autobahn gequert. Durch Lührs- und Denernbockel führt die Fahrt in Richtung Wietzendorf. An der Straße nahe California um 15:45 Uhr Kurzrast. Die stechende Sonne ist mittlerweile ebenso wie meine Kopfschmerzen und der umnebelte Kopf verschwunden. "Nur" der Hals wird immer schlimmer. Andy und Matthias haben, abgesehen von einer leichten Dröhnung durch das Weizenbier, keine körperlichen Beschwerden.
Etwa 16:10 Uhr ist Wietzendorf erreicht. Heut ist etwas mehr Leben auf den Straßen als beim letztenmal. Ohne Aufenthalt geht es wieder aus dem Ort heraus und am Mückenwald vorbei zum Beginn des Panzertracks nach Müden. Obwohl dieser heute fest planiert ist lassen wir auch diesmal den Weg über Müden aus. Die damaligen Notizen, das es von hier aus nur noch bergab bis Hermannsburg führt, sind nur für den ersten (relativ kurzen) Wegabschnitt zutreffend. Anfangs rollen wir tatsächlich über Asphaltstraße durch Felder hinab, dann allerdings wird eine Bundesstraße erreicht und in deren Folge geht es doch ein paar mal kräftig bergauf! Aber auch diese 9 km sind bald geschafft. Ab 17:15 Uhr sitzen wir im Café Behn in Hermannsburg und lassen uns jeder einen Eisbecher schmecken. Ich kann jetzt nicht mehr sprechen. In einer Apotheke bekomme ich (hoffentlich wirkungsvolle) Hustentropfen. Kurz vor Ladenschluß werden noch unsere Vorräte im Supermarkt aufgefrischt (2 ltr. Milch) und in Hamburg angerufen. Heute abend spricht Matthias mit Tina, die anschließend Petra und die Niendorfer informiert.
Etwa 18:15 Uhr starten wir zu unseren letzten Etappe. Die größte Sonnenglut ist nun vorbei. Zügig rollen wir in das Südheidegebiet hinein. Kurz vor den Teichen ist noch der Citronenberg zu erklimmen. In meinem Zustand versuche ich erst gar nicht ohne Absteigen hochzukommen - schieben ist angesagt. Um 19:05 Uhr sind wir an den Fischteichen angelangt. Schnell wird abgesattelt, ausgepackt und die Zelte aufgebaut. Zu den Myriaden von Mücken gesellen sich heute abend auch noch Heerscharen von Ameisen, das kann ja heiter werden. Nach Andy gehe auch ich zur Tränke um eine umfangreiche Waschung vorzunehmen. Andy und Matthias machen noch ein kleines Abendbrot. Für diesen Aufwand fühle ich mich zu zerschlagen, außerdem hat der große Eisbecher in Hermannsburg doch etliche Kalorien gehabt. Schnell verschwinde ich im Zelt und versuche möglichst früh zu schlafen. Ob das wohl gelingt?
Der Tacho zeigt für den zweiten Tag folgende Daten :
Nun ja, wie man´s nimmt. Geschlafen habe ich man ´grad von etwa 21:00 bis 02:00 Uhr Nachts. Dann wecken mich Fieberphantasien. Mal schwitze, mal friere ich. So allein im Zelt, weit ab von jeder schnellen Hilfe fühle ich mein (vor-)letztes Stündlein gekommen. Das Husten ist immer noch entnervend! Lange quäle ich mich von einer Seite auf die andere; sicherlich sind Andy und Matthias schon genervt. Nach langer Qual muß ich dann wieder ermattet eingeschlafen sein. Wache um etwa 7:00 Uhr auf. Sonnenschein dringt in das Zelt. Leider tropft es vom Innenzelt auf mich hinab. Die Nähe des Sees und mein fiebriger Atem haben das Zelt in ein von Kondenswasser gesättigte Tropfsteinhöhle werden lassen.
Wider Erwarten ist meine körperliche Verfassung nicht so übel; der herrliche Sonnenschein sorgt zusätzlich für eine gute Stimmung. Gott sei Dank! Lagerabbau und Frühstück werden in schönstem Sonnenschein erledigt. Der heutige Aufbruch erfolgt gegen 8:45 Uhr.
Um 9:30 Uhr ist das Lärchenwäldchen vor den Kasernen in Scheunen erreicht. Das Wetter ist einfach herrlich! Eine Dreiviertelstunde später machen wir drei an der Celler Jugendherberge die erste Rast des heutigen Tages. Wie bekannt, sind die Straßen hierher für den Fußwanderer eine nicht endende Qual - aber für das Radl genau richtig! In der JH wird unser Protzdrang befriedigt. Erleichtert treten wir die Weiterfahrt gegen 10:30 Uhr an. Schon wenige Minuten später können wir allerdings nicht am Getränkemarkt vorbeifahren; zu verlockend die Aussicht auf köstliche Getränke. Erst um 10:45 Uhr geht´s nun endlich aus Celle heraus.
Um uns die endlose, nervige Strecke neben den Strommasten zu ersparen, weichen wir nun vom Wanderweg ab und donnern auf der Bundesstraße bis nach Fuhrberg. Die Autos nerven natürlich entsetzlich. Mit dem Europawanderweg hat dies natürlich nichts zu tun! Allerdings geht´s so verdammt schnell voran. Um 11:45 Uhr sitzen wir auf einer Banke in Fuhrberg und machen eine gemütliche Rast.
Auch die Weiterfahrt nach Mellendorf, etwa 12:00 Uhr, erfolgt wieder auf der Straße. Nach fast einer Stunde, um 12:55 Uhr sitzen wir vor dem Naturfreundehaus am Lönssee. Leider stehen Andy und Matthias vor verschlossener Klappe. Für uns gibt´s weder etwas zu Essen noch zu Trinken - Mittagspause! Enttäuscht sitzen drei Radler an einem dreckigen Tisch und essen Skorpas. Dafür haben wir uns nun so abgestrampelt. Nach geraumer Zeit erscheint dann plötzlich eine sehr freundliche und verständnisvolle Frau, die anbietet, uns trotz der Mittagsruhe Getränke zu verkaufen. Nun, das sind zwar nicht unsere erhofften Schinkenbrote - aber immerhin besser als gar nichts. Nachdem der Durst gestillt ist, sind wir dann doch alle wieder etwas milder gestimmt. Nach dieser Rast unter den riesigen, schattigen Bäumen packen wir um 13:45 Uhr wieder unsere Sachen und weiter geht´s zum Otternhagener Moor.
Zuerst in verwegener Fahrt über den Knüppeldamm durch den sonnendurchfluteten Wald, dann über breite Fahrwege. Obwohl diese Schotterpisten diesmal knochentrocken sind, ist die Fahrt durch die vielen Schlaglöcher ein Konzentration abverlangender Slalom. Um die ewigen Stöße besser abfangen zu können fahren wir meist stehend. Nach immerhin etwa 50 Minuten Fahrt sind wir querab der damaligen Übernachtung während unserer Fußtour. Viele Erinnerungen kommen uns da in den Sinn. Mit dem Rad ist es doch sehr viel angenehmer. Ohne einen Halt geht es sofort weiter durch das Otternhagener Moor. Wo wir damals durch Andy´s Fußverletzung entlanggeschlichen sind, rollen wir drei jetzt wie im Fluge entlang. Nach weiteren 10 Minuten wird dann doch mitten im Moorgebiet eine kleine Rast eingelegt. Kurz vor Otternhagen kommt es dann zum Lacher des Tages. Im honorigen Bestreben dem Kreuz zu folgen, folgen wir einem hirnrissigen Umweg. Wenige Meter vor dem Ort und neben der Landstraße führt der Trampelpfad in ein unwegsames Areal. Um nicht zurück zu müssen, queren wir drei mit unseren schweren Fahrrädern einen kleinen Bach. Wenn uns hier einer beobachtet - er muß denken wir sind bescheuert! Nach 15 Minuten sind wir verschwitzt wieder etwa 50m vom letzten gesichteten Kreuz entfernt angelangt.
Wie um diesen Unsinn schnell hinter uns zu lassen düsen wir nun in schneller Fahrt zur Autobahnüberquerung und weiter an die Leine nach Bordenau. Etwa 16:00 Uhr ist der dortige Edeka-Laden erreicht. Mit Milch und Milchreis (Kirsch) werden die Vorräte aufgefrischt. Der Milchreis wird dann allerdings wenige hundert Meter weiter vor dem Denkmal des Scharnhorst (oder war es Gneisenau) verspeist. Um 16:25 Uhr wird die Fahrt dann fortgesetzt. Hinunter durch die Leineniederung, dann empor auf der anderen Seite. Schnell ist die Bahnstrecke überquert; links von uns die Anlagen des Militärflugplatzes. Diesmal wollen wir streng nach der Wegmarkierung fahren. Es gelingt; ohne das Kreuz zu verlieren ist schon um 17:15 Uhr die Uferpromenade von Steinhude erreicht. Hier soll mal wieder zivilisiert auf Klo gegangen werden, was allerdings gründlich mißlingt. Die öffentliche Toilette stinkt derart penetrant, daß es Andy nicht gelingt dort seinen "Spatengang" zu vollziehen. Gleich neben an (jedoch ohne Geruchsbelästigung) setzen wir uns bei "Borcherding" und speisen Goldbarsch bzw. Matjes. Dieser Fisch hat das Steinhuder Meer sicherlich nie gesehen, aber das Essen paßt irgendwie in die hier herrschende maritime Atmosphäre. Das Wetter ist immer noch herrlich. Wir sitzen hier sehr angenehm; so eine Tour hat durchaus auch seine bequemen Momente. Bevor die Tour fortgesetzt wird besorge ich mir noch Milch, Milchreis und Orangensaft (Valensina). Um 18:00 Uhr starten wir drei zur wohl letzten Etappe für den heutigen Tag.
Zuerst auf der Promenade zwischen den vielen anderen Touristen, dann jedoch wird es schnell wieder einsamer. Am Kanal angekommen führt der Weg wieder landeinwärts. Vor uns liegt das Schloß .?. in Hagenburg. Zwischen den riesigen Rhododedren wollen wir schnell ein paar Photos machen. Kaum stehen die Räder still, stürzen sich Myriaden von Mücken auf uns und zerstechen uns! Zu allem Unglück muß ich auch noch meinen Film wechseln. Diese Mistviecher! Fluchend verlassen wir so schnell wie möglich den etwas verwilderten Schloßgarten. In wenigen Minuten ist die Hauptstraße erreicht. Von der Telefonzelle aus telephoniere ich mit Hamburg. Petra ist mal wieder nicht da, sie wird wohl im Sohrhof sein. Von den Niendorfern erfahre ich, daß morgen ein Ausflug mit Oma und Opa nach Schwerin geplant ist. Nachdem alles wichtige übermittelt ist soll es nun gleich weitergehen.
Nach wiederum nur wenigen Minuten ist der Ort schon wieder verlassen und der Weg führt in das kleine Wäldchen hinein, in dem wir damals während unserer Fußtour unser Nachtlager aufgeschlagen haben. Mit großer Überraschung müssen wir feststellen, daß die Streckenführung geändert worden ist. Der Weg führt nicht geradeaus in Richtung Düdinghausener Berg, sondern biegt scharf nach links ab. Soll es denn nun wieder nach Steinhude zurückgehen? Beunruhigt sausen wir über die uns völlig unbekannten Wege. Immer weiter bringen uns die Wege nach links, in Richtung Steinhude. Das kann doch wohl nicht mehr richtig sein?! Dann wird es uns zu dumm, wir kehren kurz entschlossen um! Nachdem die Bundesstraße erreicht ist fahren wir direkt nach Idensermoor am Mittellandkanal. Der Gasthof "Zum grünen Frosch" muß natürlich kurz mit einem Besuch beehrt werden. In den bekannt sauberen Toiletten wird gepflegt abgeprotzt und anschließend in den letzten Strahlen der Abendsonne ein erfrischendes Eis geschleckt.
Schnell geht es bald darauf am Kanal entlang. Irgend etwas kommt mir sofort komisch vor. Da haben wir offenbar den Grund für die Streckenänderung - die alte Kanalbrücke über die wir schon 2x hinübergekommen sind existiert nicht mehr. Wo die wuchtigen Brückenwiderlager gestanden haben sind jetzt auf beiden Seiten des Kanals Bauabsperrungen. Hier wird eine neue Brücke gebaut! Für uns jedoch bleibt nur eine Querung im Zuge der Bundesstraße in Haste. Also weiter!
Für ein gepflegtes Nachtlager haben wir den großen Wald zwischen Haste und Bad Nenndorf eingeplant. Langsam aber sicher wird es jetzt düster. Angestrengt spähen unsere Augen nach links und rechts, aber nirgends findet sich ein Lagerplatz. Nun wird es aber langsam Zeit, der Waldrand ist erreicht! Vor uns liegen in einigen Kilometern Entfernung der Deister und am Fuße des Höhenzuges Bad Nenndorf. Es ist jetzt 20:15 Uhr. Vor uns liegt bis zum Deister nur noch offenes Gelände, also wird das Lager wenige Meter hinter dem Waldrand aufgeschlagen. Insgesamt zwar recht einsichtig, aber es wird heute abend wohl keiner mehr hier längskommen und uns stören. Recht müde steigen wir drei von den Rädern und bauen die Zelte auf. Essen braucht heute ja zum Glück nicht mehr zubereitet werden. Hoffentlich war die große Anstrengung heute nach der letzten Nacht nicht zu viel für mich! Zerschlagen aber zufrieden und ohne Halsbeschwerden ist für mich um 21:15 Uhr Zapfenstreich.
Wiederum wache ich um 2:00 Uhr, von schlimmem Husten geplagt, auf. Da hatte ich mich gestern abend wohl doch zu früh gefreut. Bei jedem Umdrehen geht die Husterei los. Nach geraumer Zeit schlafe ich wieder ein.
Um 5:30 Uhr hält meine Blase die gestrigen 2 Ltr. Milch nicht mehr aus. Es ist empfindlich kalt; aus Bequemlichkeit pinkel ich aus dem Zelt heraus. Alles ist grau in grau. Das will doch wohl heute nicht etwa regnen? Da wir gestern so sehr viel Strecke geschafft haben, braucht es heute morgen keiner Hetze. Genüßlich krieche ich wieder in den Schlafsack hinein und träume weiter.
Als wir uns dann gegen 8:15 Uhr aus den Zelten kriechen scheint die Sonne, herrlich! Mit dem allmorgendlichen Packen lassen wir uns Zeit; zum Frühstück gibt es bei mir Milchreis mit Himbeere. Aufbruch um 9:40 Uhr. Nach rasanter Fahrt haben wir bald Waltringshausen erreicht. Jetzt ist es nur noch ein Katzensprung nach Bad Nenndorf. Da unsere Vorräte aufgefrischt werden müssen, verlassen wir den Weg und entdecken bald einen großen Supermarkt wo die üblichen Tourenproviante eingeladen und am Rad verstaut werden. Die Sonne scheint so schön. Man möchte sich eigentlich irgendwo gemütlich hinlegen und den Vormittag genießen, aber wie schnell ist die Zeit vertrödelt! Mit dem Höhenzug des Deisters haben wir heute das erste mal anstrengende Höhenwege zu bewältigen; weiter geht´s!
Mit schwerst bepackten Rädern erreichen drei schnaufende Radler (schiebend) um 10:45 Uhr die Cecilienhöhe. Hoffentlich sind die Vorräte bald wieder verbraucht. Obwohl heute kein Ruhetag, ist die Schänke auch diesmal wieder geschlossen. Andy und ich müssen also im Wald abprotzen. Danach fühlen wir doch wieder sehr viel wohler. Gemütlich schieben wir drei unsere Räder hinauf bis zum Aussichtsturm. Leider ist es wiederum sehr diesig, der Blick reicht kaum bis nach Bad Nenndorf hinunter. Am Fuße des Turmes setzen wir uns zu einer gemütlichen Klönrunde zusammen. Der Streckenvorsprung von gestern ist nun sicherlich schon wieder vertan. Um 11:45 Uhr geht es dann endlich los, die Strecke über den Deister ist noch lang! Auf einem anderen Weg als sonst fahren wir bis zur Teufelsbrücke. Von hier aus nur noch schiebenderweise bis zur Kreuzbuche, die um 12:30 Uhr erreicht ist.
Leider wird unsere Rast von einer grölenden Jeckenhorde, die den Unterstand besetzt hält, doch sehr gestört. Genervt hocken wir auf einer Banke etwa 20m entfernt. Nach einer Viertelstunde verschwindet die johlende Gruppe. Gott sei Dank! Bis zum Aufbruch um 13:00 Uhr bleiben so noch einige Minuten Ruhe. Mein Hals sticht immer noch, auch die Stimme ist nur ein Krächzen. Die nächste Etappe führt ohne Pause zum Nordmannsturm. Hier machen wir inmitten anderer Ausflügler und Wanderer eine kleine Rast und gönnen uns ein Eis am Stiel. Nun ist es nur noch ein kurzes Stück bis zum Nienstedtener Pass. Auf der Forststraße rasen wir drei in rasendem Tempo zum Pass hinunter. Wehe wenn jetzt ein Hindernis auf der Straße wäre!
Die Kühle der Abfahrt ist aber schneller verweht als uns lieb ist. Auf der anderen Seite der Passhöhe führt der Weg ja sofort wieder hinauf. Die Straße ist meist so steil, daß die Räder nur mit größter Kraftanstrengung hinaufzuschieben sind. Nach wenigen Minuten klebt die Unterwäsche wieder auf unseren Körpern. Um uns abzulenken führen wir mehr oder weniger philosophische Gespräche über die Wahrnehmbarkeit der Zeit(?). Na ja, Gelaber hin und her -irgendwie haben dann auch dieses Wegstück hinter uns gebracht und wir können wieder aufsteigen. Leider geht es aber weiterhin bis zum Annaturm immer wieder auf und ab.
Etwa 14:20 Uhr stehen wir vor dem Aussichtsturm. Kein einziger Wanderer ist hier, verlassen ist der kleine Imbiß (aber geöffnet!). Das wollen wir dann doch zu einer kleinen Rast nutzen. Während wir auf unsere Gulaschsuppe warten, besteigt Matthias den Turm (25m). Andy und ich fühlen uns so erschlagen, daß sogar der Gedanke an die Kraftanstrengung uns erschaudern läßt. Die Sonne sticht erbarmungslos auf uns herab. Mit jeder Minute werden wir träger und teilnahmsloser. Um 15:00 Uhr schwingen wir uns wieder auf die Räder. Gleich wird uns wieder etwas klarer im Kopf. In rasanter Fahrt durch schattigen Wald führt der Weg uns nun hinab zum Köllnischfeld. Die kleinen Häuser dieses mitten im Wald liegenden Bergdorfes (-hofes?) liegen einsam und verträumt wie immer. Sind sie überhaupt bewohnt?
An der Weggabelung stellen wir fest, daß ich ´88 den falschen, aber wie sich herausstellt, besseren, Weg nach Bad Münder genommen habe. So folgen wir heute dem richtigen Weg in einem riesigen Bogen bis hin zur Deisterpforte (nirgends entdeckt!) und wieder zurück in Richtung Nordwesten. Ein ewiges auf- und ab sowie eine so haarsträubende Abfahrt, daß uns die Hände vom Bremsen schmerzen. Endlich erreichen wir dann etwa 16:30 Uhr Bad Münder. Zuerst wird jetzt eingekauft; bei Mini-Mal sind wir von 16:45 bis 17:15 Uhr. Nach kurzer Suche ist dann endlich die hiesige Fußgängerzone entdeckt. Vor der Kirche findet sich zu unserer Freude auch ein Brunnen. Bis 18:00 Uhr verweilen wir hier und ruhen uns aus. Das tut gut! Nach der langen Verschnaufpause rufe ich mal wieder in Hamburg an; Petra ist sogar zu sprechen. Zuhause ist alles OK. Nun aber los, bis zum Süntelturm ist es noch eine schweißtreibende Etappe!
Nach einer Dreiviertelstunde Plackerei kleine Rast neben dem Gasthof Bergschmiede. Bis hierher haben wir die Räder fast ausnahmslos geschoben. Mensch - ist das steil! Aus der Erinnerung weis ich, daß die Schieberei auch noch weitergehen wird. Mein Hals wird immer trockener, jeder Atemzug schmerzt unangenehm.
Nach einer quälenden Stunde ist um 19:45 Uhr endlich der Süntelturm erreicht. Die Sonnen scheint immer noch. Die Turmschänke verschlossen und verrammelt. Nachdem ich hinter einem Holzstapel abgeprotzt habe fühle ich mich etwas leichter. Länger hätt´ es wirklich nicht sein dürfen, mein Körper ist ziemlich kaputt! Jetzt ist es für heute so gut wie geschafft, ohne Hast sitzen wir drei hier oben an einem Tisch und machen noch eine letzte Rast in der Abendsonne. Bis zum Steinbruch sind es nun nur noch wenige Minuten. Unsere Stimmung ist gelöst, zufrieden schauen wir nach Westen. Genüßlich verspeise ich einen Topf Milchreis und das Glas Himbeeren - köstlich! Diese Labung und die Ruhe tun meinem Hals gut.
Um 20:30 Uhr erreichen wir dann nach wenigen Minuten den Steinbruch. Sofort werden die Zelte aufgebaut. Während ich danach einfach nur noch ein wenig herumsitzen möchte, bereiten Andy und Matthias noch ihre Pfannengerichte zu. Wie die beiden das jetzt auch noch essen können ist mir unerklärlich! Bis 21:30 Uhr sitzen wir noch draußen und klönen, dann geht es in die Zelte.
Noch über eine Stunde haben wir gestern Abend Radio gehört (Antenne Niedersachsen, toller Sender!). Etwas unvernünftig, aber es war irgendwie so gemütlich und die Musik so schön. Außer wenigen Hustenanfällen und einer kleinen Pröttelei in der Nacht schlafe ich sehr gut! Wache deshalb aber auch erst um 7:55 Uhr auf; Andy und Matthias rumoren schon recht aktiv im Zelt herum. Auch heute wieder blauer Himmel mit einigen Wölkchen und strahlender Sonnenschein. Noch während des Frühstücks bewölkt es sich leider zunehmend. Aufbruch schon um 9:05 Uhr.
In halsbrecherischer Fahrt geht es über Bodenwellen, Steine und immer wieder über Wurzeln hinunter nach Unsen. Zuerst über schmale Trampelpfade im lichten Wald, dann über breite Wald- und Forstwege. Kurz vor dem Ort kommt uns eine riesige Wandergruppe von bestimmt mehr als 40 Personen entgegen! Endlich sind wir unten angekommen. Auf der Hauptstraße halte ich kurz an und will ein Photo machen - nach dem Öffnen der Lenkertasche erstarre ich. Die ganze Tasche ist voller Milchreis (Kirsch)! Das wilde Geschüttel der Abfahrt hat den Deckel des Milchreistopfes aufreißen lassen. Nicht nur, daß alle Gegenstände in einem klebrigen Brei schwimmen; ganz unten, völlig eingeseimt, liegt meine Minox! Das darf doch wohl nicht wahr sein! Die Reinigung dauert über eine Viertelstunde und wird natürlich dadurch erschwert, da wir hier nirgends Wasser haben. Die Säuberung der Tasche gelingt eigentlich nur, weil ich mich von einigem Inhalt trenne und die am schlimmsten versauten Sachen in den nächsten Mülleimer werfe. Hoffentlich läßt sich die Minox noch Retten! War es bei meinem letzten Hiersein der Walkman, ist es heute diese Schweinerei. Das Örtchen Unsen hinterläßt erneut keine angenehme Erinnerung!
Diese unfreiwillige Rast hat uns etwas aus dem Tritt gebracht. Schon im Ort geht die Schieberei los; bis zur Kuppe des Schweineberges, die wir etwa 10:05 Uhr erreichen, steigen wir dann auch kaum mehr auf den Sattel. Im dunklen Hochwald, der in mir eine recht eigentümliche Stimmung erzeugt, eine kleine Rast bis 10:20 Uhr. Von hier aus geht es in rasender Fahrt über diesmal meist angenehme und ebene Waldwege hinunter zum Forsthaus Heisenküche. Hier sind schon viele Vatertagszecher schwer bei der "Arbeit". Musik und Gejohle dringt uns schon früh entgegen. Dem Bierdrang können Andy und Matthias nicht entsagen, schon wieder wird eine ausgedehnte Rast eingelegt. Endlich ist der letzte Tropfen Bier vernichtet und wir rollen weiter. Am Bismarkturm vorbei steil hinab nach Hameln.
Um 11:05 Uhr stehen wir in der Fußgängerzone; hier läßt sich die herrliche Sonne angenehm genießen. Kurzes Telephonat mit Hamburg, Eisessen und sogar für ein paar Hamburger von McDonalds verspüren wir Appetit. Erst um 12:00 Uhr fahren wir weiter. Mit vollen Bäuchen geht es nun über die Weser hinüber und gleich wieder steil hinauf zum Klütturm.
Eine halbe Stunde später, nach einer furchtbaren Anstrengung, sind wir dann oberhalb von Hameln am Fuße des alten Wehrturmes. Der Klütsepp ist immer noch in seiner Hütte. Aufgrund der vorgerückten Tageszeit fahren wir nach kurzem Verschnaufen gleich weiter. Bis zum Landschulheim geht´s zuerst in flotter Fahrt hinab, dann aber auch langanhaltend auf asphaltierter Straße wieder hinauf. Etwa 13:15 Uhr erfolgt eine Kurzrast hinter dem Landschulheim am Feldrand. Hier, an dieser Stelle öffnet sich das Land zu einem welligen, weit einsehbaren Hügelland. Ein völlig neuer Landschaftscharakter.
In schneller Fahrt erreichen wir nun über Feld- und Wiesenwege die Ortschaften Dehrensberg und Königsförde. Unser nächstes Etappenziel ist der Hohe Asch. Der damals aufgerissene Weg auf dem Höhenrücken ist auch diesmal beschissen zu befahren. Vom ewigen Geschüttel wird auch der zweite Milchreisdeckel zerfetzt! So eine Scheiße! Die erneut fällige Reinigung mitten im Wald ist noch nerviger als heute morgen in Unsen. Das Geschirrhandtuch wird so eingeseimt, daß ich es (man möge mir verzeihen) gleich neben dem Becherinhalt im Lehmsabber neben dem Weg versenke. Endlich ist auch diese Lehmstrecke geschafft. Bis zum Hohen Asch sind´s noch etwa 4,5 km. Wir Rasten bis 14:30 Uhr.
Doch diese mickrigen 4,5 km haben es in sich, wir benötigen noch 50 Minuten! Das Turmkaffee hat heute Ruhetag(?). Gleich nebenan findet ein Kinderfest statt. Nachdem wir uns einfach in den Garten gesetzt haben, kommt nach 5 Minuten doch plötzlich eine Bedienung und so können wir dann doch noch etwas zu Trinken ordern. Um 15:35 Uhr setzen wir uns wieder in Bewegung. Eine Stunde später sitzen wir irgendwo am Rande einer Bundesstraße, hoffentlich kurz vor Linderhofe. Im Bestreben den Hohen Asch auf dem richtigen Weg zu verlassen, führt uns der schlecht markierte Weg in einem großen Bogen zuerst nach (?) und schließlich landen wir dann doch noch in Bösingfeld! Das hätten wir natürlich auch viel schneller erreichen können! Oben auf der Hügelkuppe sind so viele Markierungen, daß eine einwandfreie Orientierung schlicht unmöglich ist. Zu allem Überfluß findet sich aber in Bösingfeld nicht einmal die 88´er Wegführung am Freibad entlang. So bleibt nichts anderes übrig als auf der Straße unser Glück zu versuchen.
Erst kurz vor 17:00 Uhr sind wir dann in Linderhofe. Mann, war das wieder ein Anstieg! Den Berg mit dem Radarturm haben wir zwar ausgelassen, aber so war es mindestens genauso anstrengend. Ohne Aufenthalt sofort weiter nach Schwelentrupp und Hillentrupp. Die Oma mit dem Miele-Fahrrad wird diesmal nicht gesichtet. Von Hillentrupp ins Lemgoer Mark ist es heute ebenso quälend wie damals. Erneut verfehlen wir hier den richtigen Weg (oder?). Wahrscheinlich nicht so ganz; nach langer Irrfahrt taucht rechts oberhalb unseres Weges im Wald ein Aussichtsturm auf. Dann sind wir wohl doch nicht so ganz falsch! Kurze Zeit später sichtet Andy auch mal wieder ein Kreuz. Endlich ist dann Lemgo erreicht; es ist 19:00 Uhr als wir in die Fußgängerzone hineinradeln. Verdammt spät!
Trotz der vorgerückten Stunde, um unseren Hunger zu stillen, setzen wir uns gegenüber dem Rathaus in der "Alten Ratswaage" an die Tische auf dem Marktplatz. Dreimal Kräutersteak mit Bratkartoffeln und Salat. Hoffentlich hat die heutige Bestellung mehr Erfolgt als die in Soltau! Die Sonne ist leider hinter den Wolken verschwunden, es wird schon düster. In den kurzen Hosen wird es uns direkt ein wenig kalt. Hoffentlich kommt das Essen nun bald, wir haben es ja bis zum Nachtlager noch ein ganzes Stückchen. Ja, es dauert gar nicht so lange; das Essen sieht gut aus und schmeckt auch so. Nachdem Vati in Niendorf informiert wurde, daß er uns morgen ab 13:00 Uhr am Hermannsdenkmal abholen kann, starten wir zu unserer letzten heutigen Etappe. Nach wenigen Metern kommen wir an einem Eiscafé vorbei. Ich genehmige mir ein Ananaseis. Leider schmeckt es längst nicht so gut wie ich es mir versprochen hatte.
In südlicher Richtung führt der Weg nun aus der Stadt heraus. Nach kurzer Suche haben wir den Wanderweg wiedergefunden. Steil führt die Strecke nun auf die umliegenden Hügel hinauf. Wie schon erwartet, gefällt Andy und Matthias meine damalige Lagerstätte nicht. So fahren wir schnell nach Wambeck hinab und über den Bauernhof sofort hinauf auf den nächsten Hügel. Im dichten Nadelwäldchen (schlimmste Monokultur) ist es schon stockfinster. Oben auf der Kuppe angekommen, kurz vor dem Rand des riesigen Steinbruches schlagen wir dann ab 21:05 Uhr unser Nachtlager auf. Der Zeltaufbau und das ´rumgeräume dauern heute doch recht lange. Zu meiner besonderen Freude gibt meine Luftmatratze ihren Geist auf. Die Stöpsel halten nicht mehr richtig. Das kann ja eine Nacht werden! Um 22:15 Uhr ist Zapfenstreich.
In der Nacht quälen mich wieder mehrere Hustenanfälle. Obwohl vom Steinbruch schon ab 7:00 Uhr ziemlicher Lärm zu uns herüber tönt, schälen wir uns erst gegen 8:15 Uhr aus unseren Schlafsäcken. In meiner Luftmatratze sind 2 Kammern ganz platt, da ist wohl nichts mehr zu retten. Im nächsten Ort werde ich mich von ihr trennen müssen.
Heute ist der Himmel recht bewölkt, die Sonne lauert aber über den Wolken. Mal sehen, ob sie es schafft uns diesen letzten Tag noch einmal zu scheinen. Am Horizont ist bereits das mächtige Hermannsdenkmal gut zu erkennen. Wir haben heute viel Zeit und können die Tour gemütlich ausklingen lassen. Leider habe ich nach den gestrigen Exzessen nichts mehr zum Frühstück. Aufbruch mit leerem Magen um 9:25 Uhr. Zunächst führt der Weg nahe der Abbruchkante des Steinbruches hinunter zum Ort (?) Nun werden wir gleich über den letzten Hügel kommen und die Stelle meines Sturzes erreichen. Als wir den recht breiten und mit festem Schotter belegten Hohlweg hinunterrollen kann selbst ich mir eigentlich nicht so recht vorstellen hier gestürzt zu sein.
Ohne Komplikationen erreichen wir drei schon um 10:00 Uhr die Fußgängerzone von Detmold. Meine langen, fettigen Zottelhaare stören mich jetzt so sehr, daß ich mich kurzerhand entschließe einen Friseur zu konsultieren. In Hamburg würde ich zwar nie auf die Idee kommen in der Innenstadt einen SchickiMicki-Salon aufzusuchen, aber im Urlaub ist man halt mit vielem Großzügiger. Das Haarewaschen ist herrlich. Sogar eine Tasse Kaffee wird mir angeboten. Natürlich muß ich ein paar Worte zu meiner recht derben Aufmachung sagen und von unserer Fahrradtour berichten. Für diesen Spaß muß ich dann allerdings auch 28,20 DM berappen - nicht gerade wenig! Wieder draußen bei Andy und Matthias muß ich frösteln. Es ist empfindlich kühl, die Sonne schafft es heute wohl nicht mehr. Ob die Hamburger schon losgefahren sind? Ein Anruf in Hamburg (11:20 Uhr) schafft Klarheit; Vati wollte Tina bereits 9:45 Uhr abholen. Beide müssen jetzt schon eine ganze Strecke auf der Autobahn geschafft haben.
Kurz nach 12:00 Uhr machen wir uns auf den Weg hinauf zum Herrmannsdenkmal. In wenigen Minuten ist die Fußgängerzone verlassen und Detmold liegt hinter uns. Gemeinsam geschoben erscheint mir der Weg gar nicht mal so schlimm vor. Trotz einiger kurzer Verschnaufpausen ist der Anstieg nach einer Dreiviertelstunde geschafft. Um 13:00 Uhr stehen wir direkt unter dem Denkmal. Diesmal kann Herrmann ohne störendes Gerüst gen Westen schauen. Leider ist es nach wie vor empfindlich kühl. Die Warterei ist nicht besonders angenehm. Wir machen unsere letzten Fotos. Etwa 14:20 Uhr rollen Vati und Tina mit meinem Wagen auf den Parkplatz. Nach dem Verstauen des Gepäcks und der Fahrräder wollen wir noch einmal gemeinsam zum Denkmal hinübergehen. Aus Furcht vor Dieben kehre ich jedoch schon bald wieder zum Auto zurück. Da wir nun schon einmal in dieser Gegend sind und noch ausreichend Zeit ist, fahren wir anschließend noch einmal hinüber zu den Externsteinen. Auch hier bleibe ich lieber wieder beim Auto und bewache unsere Räder. Die nun beginnende Rückfahrt soll gemütlich werden; über die Landstraße fahre ich in moderatem Tempo über Hameln und Bad Münder nach Bad Nenndorf. Hier muß getankt werden. Uns knurrt der allen der Magen. Kurz entschlossen fahren wir darum hinauf zur Cecilienhöhe um die leckeren Spieße zu essen. Um 19:00 Uhr beginnt die leckere Abschlußspeise unserer diesjährigen Fahrradtour. Um 19:30 Uhr starten wir zur letzten Autobahnetappe nach Hamburg.